Die Bauzinsen steigen immer weiter. Im Interview sagt Mirjam Mohr, verantwortlich für das Privatkundengeschäft beim Immobilienfinanzierer Interhyp, was jetzt wichtig ist.

Euro am Sonntag: Die Bauzinsen steigen auch im Oktober immer weiter: Wie hoch kann es bis Jahresende noch gehen?

Mirjam Mohr: Wie in unserem Interhyp-Bauzins-Trendbarometer von Oktober bereits mitgeteilt, rechnen die von uns befragten Zinsexpertinnen- und experten angesichts der Notenbankpolitik und hartnäckiger Inflation längerfristig weiterhin mit dem aktuellen Zinsniveau. Ausschläge auch deutlich über die Vier-Prozent-Marke bis Jahresende sind dabei möglich. Zinsen über fünf Prozent sehen wir eher nicht, da weitere Leitzinserhöhungen durch die EZB unserer Einschätzung nach unwahrscheinlich sind.

Euro am Sonntag: Welche Möglichkeiten haben Betroffene jetzt, um etwas gegen die hohen Bauzinsen zu tun? 1. Wenn man neu bauen will, sollte man noch warten? 2. Wenn bald eine Umschuldung kommt, was kann man gegen rasant gestiegene Zinsen machen?

Mirjam Mohr: Wir empfehlen Immobilieninteressenten, Zinsdellen zu nutzen, da selbst kleine Konditionsdifferenzen von 10 oder 20 Basispunkten bei Immobilienfinanzierungen wegen der langen Laufzeit und Kredithöhe eine Hebelwirkung entfalten. Das ermöglicht teilweise Zinseinsparungen von mehreren tausend Euro. Dafür sollten sich Immobilieninteressenten im Vorfeld beraten lassen und alle notwendigen Unterlagen zusammenstellen. Außerdem kann es sich lohnen, Fördermöglichkeiten in Anspruch zu nehmen, z.B. beim KfW-Programm 300 (Wohneigentum für Familien) profitieren Familien seit Mitte Oktober von extrem niedrigen Zinssätzen, höheren Kreditsummen und höheren Einkommensgrenzen.

Wir raten Kaufinteressierten, sich auch in der aktuellen Situation aktiv mit dem Erwerb oder Bau einer Immobilie zu beschäftigen, denn Wohneigentum ist immer noch ein ganz zentrales Element für eine gute Altersvorsorge. Wie die individuellen Möglichkeiten aussehen, findet man in einer persönlichen Finanzierungsberatung heraus. Und vielleicht verwirklicht man den Traum vom eigenen Neubau jetzt eben anders, z.B. in einer Lage am Stadtrand, mit einer kleineren Wohnfläche oder anderer Ausstattung. Auch im Umdenken liegen Chancen – es ist wichtig, dass man diese gemeinsam mit einem Experten für Finanzierung und Bau erarbeitet.

Wenn eine Umschuldung ansteht, raten wir dazu, sich unbedingt frühzeitig mit dem Thema auseinanderzusetzen. Wer mehr als ein Jahr Zeit bis zur Anschlussfinanzierung hat, sollte im Beratungsgespräch ein Forward-Darlehen prüfen und klären, ob sich ein bestehender Bausparer in die Anschlussfinanzierung einbinden lässt, um die Restschuld abzusichern. Ob diese Optionen zur finanziellen Situation und den eigenen Bedürfnissen passen, finden Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer in einer individuellen Beratung heraus. Wir raten unseren Kundinnen und Kunden: Nicht gleich das Prolongationsangebot der bisherigen Bank annehmen und erstmal Angebote vergleichen. Oft kann es ratsam sein, die Bank zu wechseln. Denn: Man kann dann nicht nur von Neukundenkonditionen profitieren. Auch die Immobilie wird neu bewertet. Weil die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren stark gestiegen sind und viele Eigentümer bereits viel abbezahlt haben, sinkt der Beleihungsauslauf - und die Konditionen werden besser. Die Immobilienneubewertung kann den Zins bei einem Bankwechsel um bis zu 0,5 Prozentpunkte oder mehr verbessern. Die Kosten fürs Umschulden betragen meist nur einen Bruchteil der Ersparnis, die man durch den günstigeren Zinssatz erreicht.

Euro am Sonntag: Die Zinsen der EZB treiben Tagesgeld und Festgeld nach oben, aber auch die Bauzinsen. Können Tagesgeld und Festgelder die hohen Bauzinsen wieder wettmachen?

Mirjam Mohr: Da wir uns bei der Interhyp mit Bauzinsen beschäftigen, empfehlen wir Ihnen für die Beantwortung dieser Frage, sich direkt an eine Bank zu wenden.

Euro am Sonntag: Die Bauzinsen sind jetzt auf dem höchsten Stand seit 2010. Was bedeutet das für die Immobilien-Branche? Und ist hier das Schlimmste schon vorbei oder kommt es erst noch zu großen Verwerfungen?

Mirjam Mohr: Das neue Zinsniveau ist gekommen, um vorerst zu bleiben. Das stellt Kaufinteressierte und die Immobilien-Branche natürlich vor neue Herausforderungen, mit denen sie sich auseinandersetzen müssen. Wir beobachten aber auch, dass z.B. Verkäuferinnen und Verkäufer und Käuferinnen und Käufer von Immobilien zunehmend in diesem neuen Normal ankommen und sich mit den veränderten Rahmenbedingungen arrangieren. Und es gibt auch Chancen: Das Angebot an Immobilien ist deutlich höher als in den letzten Jahren und es können wieder attraktive Preise verhandelt werden – vor allem bei älteren Immobilien mit niedrigen Energieeffizienzklassen.

Generell ist dringend die Politik gefragt, um den Bau und Erwerb von Wohneigentum in Deutschland anzukurbeln. Das heißt zum Beispiel: Ran an die Nebenkosten, die sind nach wie vor in Deutschland zu hoch. Eine flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer ist immer wieder im Gespräch, konkret umgesetzt wurde aber hier noch nichts. Gerade Erstkäufer und Familien könnten hier zum Beispiel mit Freibeträgen entlastet werden. Das heißt auch: Bürokratie abbauen. Kommunen müssen Bauland schneller freigeben und flexibler auf Nachfrage reagieren können. Wir haben in Deutschland 16 Landesbauordnungen mit jeweils speziellen Vorschriften – hier kann man sicherlich entschlacken. Auch beim Thema Förderung moderner und kosteneffizienter Baumethoden gibt es noch reichlich Potenzial.