Nicht nur die Flugzeuge von Boeing haben Qualitätsprobleme, offensichtlich auch das Management. Konzernlenker David Calhoun zog jetzt die Konsequenzen und kündigte an, im Rahmen einer umfassenden Restrukturierung des Unternehmens Ende des Jahres zurücktreten.

Zwei weitere Top-Manager verlassen den US-Flugzeughersteller ebenfalls: Verwaltungsratschef Larry Kellner wird sich nicht zur Wiederwahl stellen, und der Leiter des Geschäftsbereichs Verkehrsflugzeuge, Stanley Deal, nimmt seinen Hut mit sofortiger Wirkung. Er wird durch Vorständin Stephanie Pope ersetzt. Schon im Februar war der Verantwortliche für das Boeing-737-Programm, Ed Clark, gegangen.

Die 737 ist das meistverkaufte Flugzeug des Konzerns. Einst waren diese Maschinen der Grund für den hervorragenden Ruf der Amerikaner, heute sind sie der Auslöser für dessen Niedergang. 2019 und 2020 stürzten zwei Maschinen der neuesten Version 737 Max 8 aufgrund identischer Fehlfunktionen ab. Mehr als 300 Menschen kamen ums Leben. Ein Flugverbot bis 2021 folgte. Cahoun wurde als Chef angeheuert, um den Konzern aus der Krise zu führen.

Gerade als er die Vermarktung der 737 Max in China starten wollte, verlor am 5. Januar 2024 eine Maschine der Alaska Airlines ein türgroßes Stück aus der Kabinenwand. Vier Bolzen hatten gefehlt. Anfang März fiel bei einer weiteren Maschine von United Airlines eine Abdeckung vom Rumpf. Wenig später sackte eine 787 Dreamliner auf dem Weg nach Neuseeland plötzlich ab, etliche Passagiere wurden verletzt. Womöglich wurde der Zwischenfall durch einen Schalter am Pilotensitz ausgelöst, die Untersuchungen dauern an.

Auch bei anderen Maschinen wurden lockere Schrauben und lose Teile entdeckt. In den Fokus ist dabei ein Zulieferer geraten: Die Firma Spirit AeroSystems baut den gesamten Rumpf der Boeing-Maschinen und soll nun übernommen zu werden. „Jahrelang haben wir einer schnelleren Produktion Priorität vor der Qualität eingeräumt, das muss sich jetzt ändern“, erklärte Finanzchef Brian West.

Die Sicherheitsmängel haben mittlerweile tiefe Spuren in der Bilanz hinterlassen. Konkurrent Airbus profitiert. Zuletzt konnte der europäische Rivale Aufträge über 65 Flugzeuge melden – sie stammen von zwei wichtige Boeing-Kunden aus Asien. Die Aktie ist seit längerem auf Talfahrt, binnen fünf Jahren beläuft sich das Minus auf rund 48 Prozent. Nach der Rücktrittsankündigung Calhouns stieg der Kurs in einer ersten Reaktion um 2,8 Prozent.


Boeing (WKN: 850471)